Sexuelle Nötigung / Vergewaltigung
Die sexuelle Nötigung (§ 177 StGB) – also die Vornahme jedweder sexueller Handlungen gegen den Willen einer anderen Person – wird mit Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten geahndet. Die gleiche Strafe droht im Fall von sexuellen Handlungen bei Widerstandsunfähigkeit des Opfers, Ausnutzung eines Überraschungsmoments oder einer Zwangslage; Bei Gewaltanwendung oder blosser Drohung mit Gewalt erhöht sich die Mindeststrafe auf 1 Jahr. Ist die Tat mit einem Eindringen in den Körper verbunden spricht man von Vergewaltigung – was dazu führt, daß die gesetzliche Mindeststrafe 2 Jahre beträgt. Sind zusätzlich noch „Waffen“ (z.B. Küchenmesser etc) im Spiel steigt die Mindeststrafe auf 3 bzw sogar 5 Jahre.
Diese hohen Strafrahmen führen dazu, daß im Fall einer Verurteilung wegen Vergewaltigung selbst bei nicht vorbestraften Personen Freiheitsstrafen ohne Bewährung von zwischen ca 4 und ca 8 Jahren drohen.
Aufgrund dieser Straferwartung unterstellt die Justiz in Verfahren wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung beinahe immer „Fluchtgefahr“ und nimmt den Beschuldigten praktisch sofort und ohne nähere Prüfung in Untersuchungshaft.
In Vergewaltigungsverfahren steht zumeist „Aussage gegen Aussage“ – wobei Polizei und Justiz in aller Regel der Belastungsaussagen des angeblichen Opfers unkritisch Glauben schenken. Kern der Verteidigung ist daher die Erschütterung der Glaubhaftigkeit bzw Zuverlässigkeit der Belastungsaussage:
Ist der Tatvorwurf noch relativ „frisch“ gilt es zu prüfen, ob durch die objektive Spurenlage (z.B. DNA-Spuren – Sperma, Blut; Verletzungen etc) die Angaben des angeblichen Opfers relativiert werden können. Ausgangspunkt für die Verteidigung ist die These, daß sexuelle Handlungen entweder gar nicht oder zumindest einvernehmlich erfolgt sein können. Aber auch wenn die Anzeige erst geraume Zeit nach der angeblichen Tat erfolgt, kann z.B. dokumentierte Kommunikation zwischen „Täter“ und „Opfer“ – z.B. e-mails, sms etc – entscheidend für den Verfahrensausgang sein. Ansonsten muss herausgearbeitet werden, welche Fehlerquellen und Verfälschungsfaktoren im jeweiligen Fall in Betracht kommen und geeignet sind die Glaubhaftigkeit der Belastungsaussage in Frage zu stellen. Dies können – neben Motiven für eine bewusste Falschanschuldigung (häufig vor dem Hintergrund von Scheidungen oder Sorgerechtsstreitigkeiten) – auch irrtümliche Verfälschungen der Aussage durch Suggestionen/Autosuggestionen, psychische (Wahrnehmungs)Störungen oder langjährige Traumatherapien etc sein.
Daher muss meist die Entstehungsgeschichte und Entwicklung der Aussage aufgeklärt werden, das Umfeld des vermeintlichen Opfers miteinbezogen und i.d.R. sämtliche Personen, mit denen das vermeintliche Opfer über die angeblichen Taten gesprochen hat, vernommen werden um insb. festzustellen, ob es Widersprüche zwischen den einzelnen Aussagen oder sonstige Unstimmigkeiten gibt.
Die Verteidigung kommt oft nicht umhin durch eigene (z.B. rechtsmedizinische oder psychologische) Sachverständigengutachten die Justiz mit fachkundigen Expertisen zu konfrontieren um Zweifel an der Belastungsaussage zu schüren.